VPLT setzt sich im Bundestag für Kulturfrequenzen ein

Wer soll in Zukunft das Frequenzband zwischen 470 und 694 MHz nutzen dürfen? Dieser Bereich ist der letzte Rest, den die Veranstaltungsbranche noch hat, um im UHF-Band drahtlose Produktionsmittel wie Funkmikrofone oder In-Ear-Systeme einzusetzen. Vor zehn Jahren war die Welt noch in Ordnung, und das gesamte UHF-Band für Events nutzbar, genauer gesagt: Die Lücken zwischen den Anwendungen des Rundfunks. Doch zweimal wurde das Band seitdem beschnitten und an den Mobilfunk versteigert. Dort gibt es nun keine Lücken mehr für drahtlose Produktionsmittel, die bekannt sind unter dem Namen „Programme Making and Special Events“ (PMSE). Alle drängen sich inzwischen im unteren Frequenzbereich, der bis zum Jahr 2030 den PMSE-Nutzern und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk versprochen wurde. Doch was ist dieses Versprechen, das Bundesregierung und EU abgegeben hatten, noch wert, kurz vor der Weltfunkkonferenz in Ägypten (WRC-19)?

Das wollten die beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Christian Jung (Karlsruhe-Land) und Thomas Hacker (Bayreuth) von der FDP wissen. Sie luden die Kultur-, Kreativ- und Veranstaltungswirtschaft in den Deutschen Bundestag zu einem „Parlamentarischen Frühstück“. Für den VPLT waren gleich drei Vertreter eingeladen: Wolfgang Schöpe, Alfred Rogacki junior und Sebastian Krämer. Auch die Gegenseite war vertreten, also der Mobilfunk und seine Lobbyorganisation „Bitkom“. Es entwickelte sich eine spannende Diskussion, die zeigte, dass der Mobilfunk inzwischen auch den Bereich zwischen 470 und 694 MHz im Auge hat – eine Horrorvorstellung für Kultur, Rundfunk und Veranstaltungsbranche.

 Antrag im Bundestag soll breite Unterstützung bekommen

Rückendeckung bekamen die Kulturschaffenden zunächst von Dr. Christian Jung MdB. Für ihn sei die Zukunft der Kulturfrequenzen eines der entscheidendsten Themen im Moment. Deshalb habe er gemeinsam mit Thomas Hacker MdB einen Antrag im Bundestag eingebracht, mit dem Ziel, die Kulturfrequenzen zu sichern. Das gelte bis zum Jahr 2030, aber auch darüber hinaus. Die FDP wolle sich hier fraktionsübergreifend engagieren und einen gemeinsamen Antrag etwa mit SPD, Grünen und Linken formulieren. Jung betonte, dass das Problem im Konsens gelöst werden sollte.

Das Eingangsstatement aus Sicht der Betroffenen hielt dann Helmut G. Bauer von der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“, die sich seit über zehn Jahren für die Kulturfrequenzen einsetzt. Bauer erinnerte daran, dass die Zahl der Funkmikrofone wachse, gleichzeitig die Frequenzen weniger werden. Er verlangte von der Politik einen Masterplan, der beschreibt, welche Frequenzen zur Verfügung stehen und wie lange noch. Branche und Nutzer bräuchten Planungssicherheit. Diese Forderung unterstützte Marc Grandmontagne vom Deutschen Bühnenverein. Er sprach auch für den Deutschen Städtetag und die Freien Theater in Deutschland. Sein Credo: Die Kulturfrequenzen dienten einem öffentlichen Gut und damit der Daseinsvorsorge. „Das darf man nicht kommerzialisieren“, erklärte er und lehnte damit eine Übertragung des Frequenzbandes auf den Mobilfunk ab.

Das UHF-Spektrum ist essentiell für die Sicherheit von Veranstaltungen

Wesko Rohde von der DTHG (Deutsche Theatertechnische Gesellschaft) rüttelte mit der Aussage auf, dass ohne die Kulturfrequenzen Musicals wie „König der Löwen“ in Deutschland gar nicht mehr stattfinden könnten. „Wir brauchen Spektrum, um die Sicherheit der Veranstaltungen zu garantieren“, ergänzte er. Im Anschluss erinnerte Heribert Knecht vom Verband Deutscher Freilichtbühnen daran, dass viele Kulturschaffende ehrenamtlich tätig seien und große Investitionen nicht tätigen könnten. Sollten Frequenzen verloren gehen, müssten neue Tonanlagen angeschafft werden (falls es dann überhaupt noch nutzbares Spektrum gebe), das koste zwischen 40.000 und 80.000 Euro pro Bühne. Es wäre das Ende vieler Freilichtbühnen!

Vertreter des VPLT berichten von Herausforderungen in der Praxis

Für den VPLT berichtete zunächst Alfred Rogacki junior aus der Praxis. Er betreibt seit 1999 Veranstaltungen im Reichstagsgebäude für den Wirtschaftsrat der CDU und habe seit einiger Zeit immer auch kabelgebundene Mikrofone dabei, falls es zu Störungen kommt. Diese Störungen habe es schon gegeben. Wolfgang Schöpe (VPLT) erinnerte daran, dass die für Funkmikrofone nutzbaren Frequenzbereiche immer weiter verstreut liegen. Wenn das so weitergehe, müssten die Betriebe für jede Lücke und jeden Frequenzbereich neue Geräte anschaffen. Das sei finanziell nicht machbar. Von den tatsächlichen Problemen bei einem mittelständischen Unternehmen konnte Sebastian Krämer berichten – er hatte dort die Auswirkungen der „Digitalen Dividende 2“ erlebt, als viele Veranstaltungen mit dem bestehenden Tonequipment nicht mehr machbar waren. Für das Unternehmen war das eine finanzielle Katastrophe. „Frequenzpolitik ist also auch Mittelstandspolitik“, kommentierte Dr. Christian Jung MdB diese Aussage.

Gemeinwohl geht vor Kommerz

Auch Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat unterstrich die Bedeutung der Frequenzen für die Künstler und Kreativen. „Manche Dinge müssen gemeinwohlorientiert bleiben“, forderte er: „Man darf nicht alles dem Markt übergeben“, sagte er in Richtung der Vertreter des Mobilfunks. Eine etwas schwierige Rolle hatten die Vertreter der Bundesnetzagentur, die zurückhaltend erklärten, dass das UHF-Frequenzband für verschiedene Nutzer von Interesse ist. Die Behördenvertreter erinnerten an die Erklärungen, dass sich bis zum Jahr 2030 an dem Band nichts ändern sollte und dass neue Zuweisungen bei der WRC-19 in Ägypten nicht geplant seien. Damit bestätigte die Bundesnetzagentur die offizielle Linie der Bundesregierung.

 Mobilfunk braucht das Spektrum nicht – Alternative: Mehrantennentechnik

Eine äußert interessante Wortmeldung kam von Prof. Dr. Georg Fischer, der Technische Elektronik an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt. Fischer war viele Jahre in der Mobilfunkbranche tätig und kennt auch die „PMSE-Welt“ durch Forschungsprojekte. Zunächst erklärte Fischer, dass die Mobilfunknutzung in Deutschland ansteige. Deswegen brauche der Mobilfunk aber keine Kulturfrequenzen, sondern sollte in die Mehrantennentechnik investieren. Bereits die Verbesserung von 3G (UMTS) auf 4G (LTE) sei nicht einem Spektrumszuwachs geschuldet gewesen, sondern einer besseren Technik mit mehr Antennen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft sei unbedingt auf den Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz angewiesen, andere Bänder seien kein Ersatz: „PMSE braucht ein zusammenhängendes Band mit Primärstatus“, erklärte Prof. Dr. Georg Fischer. Der Mobilfunk müsse in die Mehrantennentechnik gedrängt werden.

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk nutzt und unterstützt PMSE

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk war Claudia Teichler vom NDR anwesend. Sie betonte, dass der Rundfunk Mikrofone brauche. Das sei notwendig zur Sicherung der Meinungsfreiheit. „Wir brauchen eine hohe Qualität schon am Anfang der Produktionskette“, erklärte Teichler. Die Teilung des UHF-Bandes zwischen Rundfunk und PMSE hätte immer gut funktioniert. Sie betonte, dass der Rundfunk weiterhin die Terrestrik brauche. „Wir brauchen das UHF-Spektrum, wir brauchen große Zellen!“ Auch sie sah die Potentiale des Mobilfunks in der Mehrantennentechnik.

Die Hersteller von Mikrofonen fordern einen Primärstatus für PMSE

Für das Unternehmen Sennheiser forderte Dr. María Pérez ein zusammenhängendes Spektrum und Primärstatus für PMSE. Sie nahm ausführlich Stellung zu 5G. Dieser Übertragungsstandard sei auf absehbare Zeit keine Lösung für drahtlose Produktionsmittel. Es existiere ein „Hype“ bei 5G, der mit den technischen Fakten nicht erklärbar sei. Ihr Kollege Dr. Andreas Wilzeck (Sennheiser) legte dar, dass Kunden eine Latenz von unter 4 Millisekunden verlangen. Das schaffe 5G nicht, „das kann der Mobilfunk nicht“. Er erinnerte daran, dass PMSE zur Völkerverständigung beitrage und zum kulturellen Austausch auf der Welt. Von der Politik forderte Dr. Andreas Wilzeck einen „digital single market“ für die Kultur in Europa. Auch Wolfgang Bilz vom Hersteller Shure betonte, dass das UHF-Spektrum aus technischen Gründen benötigt werde. Der Mobilfunk wolle dieses Spektrum nicht wegen seiner physikalischen Eigenschaften, sondern nur wegen der Kosten. Es sei billiger als die Mehrantennentechnik. „Wegen einer Geldeinsparung darf die Politik aber nicht die Kulturwirtschaft in Deutschland zerstören“, sagte ein Zwischenrufer.

Eine Gegenrede vom Mobilfunk: Unser Bedarf steigt

Harald Geywitz von Telefónica Deutschland hatte bei all diesen Argumenten einen schweren Stand. Er gab zu, „viel gelernt zu haben“ und erinnerte daran, dass er selbst Musikvereinsvorsitzender in Potsdam sei. Er meinte, dass bei der Weltfunkkonferenz in Ägypten nichts passieren werde, die Ängste der Kulturbranche seien unbegründet. „Das Gleiche haben wir auch vor den letzten beiden Weltfunkkonferenzen gehört“, warf daraufhin Dr. Andreas Wilzeck ein – mit den bekannten Ergebnissen: Frequenzverluste für PMSE und ein lachender Mobilfunk (Digitale Dividende 1, Digitale Dividende 2). Harald Geywitz erinnerte auch an die steigende Nutzung des Mobilfunks. In den ersten drei Tagen des Oktoberfests 2019 hätte man schon das Volumen erreicht, das im Vorjahr beim gesamten Oktoberfest in München gemessen wurde (19 Tage).

Das Parlamentarische Frühstück wurde von Dr. Christian Jung MdB und Dr. Jochen Zenthöfer moderiert.

Expertengespräch im Verkehrsausschuss des Bundestages

Am Vortag fand bereits ein Berichterstattergespräch im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages statt. Angeregt hatte dieses Expertengespräch der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog (Kaiserslautern). Thema waren „Frequenzen für drahtlose Produktionsmittel“. Teilnehmer waren:

– Helmut G. Bauer, Initiative „SOS – Save Our Spectrum“

– Wolfgang Bilz, Association of Professional Wireless Production Technologies e.V. (APWPT)

– Dr. Roman Bansen, Bitkom

– Prof. Dr.-Ing. Georg Fischer, Universität Erlangen-Nürnberg

– Marc Grandmontagne, Deutscher Bühnenverein

– Dr. Tim Hentschel, Barkhausen Institut

– Michael Pausch, Bayerischer Rundfunk

– Dr. María Dolores Pérez Guirao, Sennheiser

– Wolfgang Schöpe, Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik e.V.

– Peter Stuge, Chaos Computer Club & Freifunk

– Dr. Andreas Wilzeck, Sennheiser

– Dr. Jochen Zenthöfer, Initiative „SOS – Save Our Spectrum“

sowie seitens der Exekutive:

– Parlamentarischer Staatssekretär Steffen Bilger, MdB (BMVI)

– Bernd-Wolfgang Weismann (BMWi)

– Anne Kleinschrodt (BMWi)

– Elmar Zilles, Bundesnetzagentur, Leiter der Abteilung „Rechtsfragen der Regulierung, Telekommunikation, Frequenzordnung“

– Michael Schwarz, Bundesnetzagentur, Leiter des Referates „Nichtöffentliche Funkanwendungen, Amateurfunk

Die Fraktionen hatten Berichterstatter für das Gespräch benannt, die auch viele Fragen zu PMSE, drahtlosen Produktionsmitteln und zur Weltfunkkonferenz (WRC-19) stellten. Die Abgeordneten nahmen sich viel Zeit: Die Veranstaltung dauerte von 13 bis 14.45 Uhr. Mit dabei waren: Thomas Jarzombek (CDU, bis 13.39 Uhr), Karls Holmeier (CSU), Gustav Herzog (SPD), Wolfgang Wiehle (AfD), Dr. Christian Jung (FDP), Thomas Hacker (FDP), Anke Domscheit-Berg (Die Linke, bis 14.00 Uhr, danach entschuldigt) und Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen).

Da die Veranstaltung als „nicht-öffentlich“ eingestuft wurde, ist eine Berichterstattung über die besprochenen Inhalte nicht möglich.

Fazit

Der Bundestag hat sich intensiv mit dem Thema der Funkfrequenzen für drahtlose Produktionsmittel auseinandergesetzt. Der Dank dafür gebührt vor allem den Abgeordneten Gustav Herzog (SPD), Dr. Christian Jung (FDP) und Thomas Hacker (FDP).

 

 

Bild: Catherine Spelter

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