Frequenzzugang für drahtlose Produktionsmittel in den Bereichen 3,4 GHz – 3,7 GHz und 3,7 GHz – 3,8 GHz

SOS – Save Our Spectrum

Initiative zur Sicherung von Funkspektrum für die Kultur- und Kreativwirtschaft.

 

Drahtlose Produktionsmittel verlieren seit Jahren Spektrum für die Nutzung bei Veranstaltungen und Produktionen. Der neue Übertragungsstandard 5G bietet ihnen die Möglichkeit zur Nutzung von Spekt-rum, das dem Mobilfunk zugewiesen wurde und erlaubt auch den Aufbau eigener Netze.

Im Rahmen der anstehenden Vergabe des 3,6 GHz Bereichs fordern wir, in den Vergabebedingungen für 3,4 GHz – 3,7 GHz eine bevorzugte Behandlung für professionelle Produktionen der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie des Rundfunks (Art. 5 GG) vorzusehen, um Störungen auszuschließen und die notwendige Qualität sicherzustellen.

Der Bereich 3,7 GHz – 3,8 GHz darf nicht von Anfang an vollständig für einen Standort für eine dauerhafte Nutzung zugewiesen werden, um überall auch temporäre Nutzungen der Kultur- und Kreativ-wirtschaft zu ermöglichen.

Die Bundesnetzagentur soll eine öffentlich zugängliche Datenbank zur Verfügung stellen, in der die Frequenzzuweisungen, der Inhaber, der Ort und die Bedingungen abgerufen werden können.

5G in der Kultur- und Kreativwirtschaft

Seit der Weltfunkkonferenz WRC 2007 verlieren drahtlose Produktionsmittel wie Funkmikrofone ( im Folgenden: PMSE1) zunehmend Spektrum, das für Veranstaltungs- und Inhaltsproduktion dringend be-nötigt wird und die technologische Grundlage für die mannigfaltigen Aktivitäten der Kultur- und Krea-tivindustrie bildet. Mit dem Entzug wesentlicher Teile des weltweit harmonisierten UHF-TV Spektrums wird der globale Marktzugang erheblich erschwert. Selbst der in Europa von der Europäischen Kom-mission mühsam gestaltete „Digital Single Market“ für die europäische Kultur- und Kreativindustrie wird ad absurdum geführt, weil in den Mitgliedstaaten die von PMSE nutzbaren Spektren in vielen verschiedenen Frequenzbereichen verteilt sind.

Die 5G Technologie erscheint für PMSE Produktionen nutzbar, sofern es gelingt die im staatlich geför-derten Projekt PMSE-xG gewonnenen Erkenntnisse in der 5G Standardisierung zu verankern und um-zusetzen. Sofern sich dies tatsächlich materialisiert, kann 5G ein wesentliches Standbein für die Kultur- und Kreativindustrie werden, da es

* Ausweichspektrum bietet,

* störungsfreien Betrieb ermöglichen kann,

* latenzarme Übertragung in der Größenordnung von 1 ms ermöglichen kann,

* Frequenzbereich offeriert, in denen das Wachstum der Branche und insbesondere die geforderten Qualitätssteigerungen gesichert werden können,

* verlorene Harmonisierung zumindest in der EU und ggf. weltweit ermöglichen kann,

* durch Konvergenz in der Technologie und Nutzung des an den Mobilfunk zugewiesenen Funk-spektrums wirtschaftliche Vorteile bieten könnte.

Der Zugang zu Spektrum und ggf. zu Netzinfrastruktur in den Bereichen 3,4 GHz – 3,7 GHz und 3,7 GHz – 3,8 GHz für PMSE-Anwendungen muss auf deren Besonderheiten beim Einsatz Rücksicht nehmen. Soweit die bestehenden Regularien des TKG nicht ausreichen, die Möglichkeiten von 5G zu realisieren, ist auch eine Änderung des TKG in Betracht zu ziehen. Die Möglichkeiten von 5G dürfen nicht durch das TKG limitiert werden, das zu einem Zeitpunkt geschaffen wurde, zu dem viele innovative Anwen-dungsfälle und wirtschaftliche Konstellationen von 5G noch nicht bekannt waren.

Die Vergabepraxis der Bundesnetzagentur orientiert sich bislang wesentlich an dem Mobilfunk, ob-wohl 5G erstmals auch den wirtschaftlichen Betrieb von lokalen und regionalen Netzen von vertikalen Industrien ermöglichen soll. Gerade die Frequenzen oberhalb von 3 GHz eignen sich aufgrund der Aus-breitungsbedingungen der Funkwellen wirtschaftlich ohnehin nicht für flächendeckende Mobilfunk-netze, sondern nur für die bedarfsgerechte lokale Versorgung (Region, Fabrikgelände, Veranstaltungs-gelände, Messe, Stadion, Theater, Krankenhaus usw.).

In diesem Zusammenhang sollte auch diskutiert werden, ob die Lizenzvergabe für 5G Frequenzen statt durch eine Einmalzahlung durch eine laufende Abgabe erfolgen sollte. Über eine solche differenzie-rende, laufende Abgabe könnten Anreizeffekte für Kooperationen und den Netzausbau wahrscheinlich besser gelenkt werden.

Nicht der Mobilfunk, sondern die Anwenderindustrien sind aus unserer Sicht ein Schlüsselelement für den Erfolg von 5G. Diese Anwender werden durch die vorgesehene Vergabe der Frequenzen an den Mobilfunk defacto gezwungen, mit diesem Verträge abzuschließen, obwohl sie kostengünstiger und flexibler eigene Netze nach ihren Anforderungen aufbauen könnten. Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich das Vorhaben der Bundesnetzagentur Teile des Spektrums der Industrie zuzuweisen. Wir halten jedoch 100 MHz für nicht ausreichend, um die Bedarfe der „Industrie 4.0“ zu erfüllen.

1. 3,4 GHz – 3,7 GHz

Es ist erklärter Wille, dieses Funkspektrum an Mobilfunkprovider zu vergeben, die bundesweite Netze aufbauen und betreiben sollen. Aus unserer Sicht braucht PMSE einen bundesweiten und bedarfsge-rechten Zugang zu Funkspektrum und ggf. Netzinfrastruktur. Dieses ist aber für Produktionen nur dann zu nutzen, wenn sichergestellt ist, dass die aufgebauten Funkverbindungen nicht durch andere Anwen-dungen gestört werden.

Da die Produktion von Inhalten und Veranstaltungen am Anfang der Wertschöpfungskette der Kultur- und Kreativindustrie steht, bestehen sehr hohe Anforderungen an die Funkverbindungen. Aus diesem Grund müssen die produktionsrelevanten Verbindungen priorisiert werden.

Dazu bieten sich zwei Möglichkeiten an:

1. Sub-Lease-Spectrum (Spectrum as a Service): Der Mobilfunkbetreiber vermietet einen Teil sei-ner Frequenzen, damit PMSE dort seine eigene Infrastruktur auf Dauer oder temporär betrei-ben kann.

2. Network-Slicing: Für PMSE wird basierend auf den Ressourcen des Mobilfunks – Funkspektrum und Netzinfrastruktur – eine feste Netzkapazität mit verbindlich, definierten Qualitätsanforde-rungen vom Mobilfunkbetreiber bereitgestellt.

Da die Anforderungen an die Qualität der Übertragung bei PMSE Produktionen höher sind als bei an-deren Anwendungen, sollen die Mobilfunkunternehmen im Rahmen der anstehenden Vergabe ver-pflichtet werden, professionelle Produktionen im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie des Rundfunks (Art. 5 GG) bevorzugt zu behandeln, um Störungen auszuschließen und Qualität sicherzu-stellen.

Diese Forderung ist nicht unbillig, weil mit der heute zur Verfügung stehenden Technik in anderen Frequenzbereichen dieser Qualitätsstandard bereits erreicht ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei Veranstaltungen das Publikum in der Regel intensiv Mobilfunkdienste nutzt. Bei Großveranstaltun-gen wie Wacken und anderen Veranstaltungen baut der Mobilfunk sogar zusätzliche Masten auf, um seine Kapazität zu erhöhen. Dies wird in Zukunft zunehmen, weil der Einsatz von 5G bei Produktionen und Veranstaltungen neue Formen der Beteiligung ermöglicht, wodurch der Bedarf an Frequenzen noch steigen wird.

Es wird keine unentgeltliche Bereitstellung gefordert. Es ist seitens der Regulierung sicherzustellen, dass sich ein fairer und wettbewerblicher Markt entwickeln kann.

2. 3,7 GHz – 3,8 GHz

Für stationäre Einrichtungen (z.B. Theater, Konferenzzentren, Studios etc.) müssen Frequenzen fest zugeteilt werden. Dies gilt auch für nomadische, temporäre Nutzungen in Form von Kurzzuteilungen.

Da 5G gemäß 3GPP Standards leider derzeit über keine automatische Frequenzplanung verfügt, ist eine Frequenzplanung unter Maßgabe der lokalen und regionalen Zuteilungen in transparenterweise von Amtswegen durchzuführen oder zu vergeben.

Im Hinblick auf Ballungsräume mit vielen industriellen Anwendungen ist damit zu rechnen, dass ein erheblicher Frequenzbedarf besteht. Die BASF hat bereits einen Mindestbedarf von 60 MHz für eine Anwendung auf ihrem Firmengelände identifiziert. Im Zuge der weiteren Entwicklung ist davon auszu-gehen, dass der Bedarf zunehmen wird. Ein wichtiger Aspekt der Entwicklung des Frequenzbedarfes der Industrie, der sorgfältig zu beobachten ist, ist, dass viele Zweige der Industrie erst in der Zukunft 5G als „Enabler“ ihrer Applikationen entdecken werden.

Den Industrieunternehmen, die ihre Bedarfe definieren können, steht die Kultur- und Kreativwirtschaft gegenüber, die ihre Bedarfe wegen ihrer vielschichtigen Struktur und oft nur temporären Nutzungen an wechselnden Orten nicht konkret benennen kann. Diese Besonderheit darf aber nicht zur Folge haben, dass sie keinen Zugang zu diesem Spektrum erhält. Daraus folgt, dass nicht das gesamte Spekt-rum für eine dauerhafte Nutzung zugewiesen werden darf. Zugleich muss gesichert sein, das Spektrum nicht gehortet und damit anderen Nutzern entzogen wird.

Da insbesondere zum Start von 5G noch nicht alle Applikationen und Nutzungen bekannt sind und sich erst noch entwickeln, sollte zunächst nur ein Teilbereich der 100 MHz für eine permanente Nutzung zugeteilt werden. Anknüpfungspunkt sollte das katastermäßig erfasste Grundstück sein. Zusätzlich müssen die Verbreitungsbedingungen festgelegt werden, um Störungen anderer Nutzer zu verhindern und um möglichst vielen die Chance zur Nutzung zu geben.

Im Hinblick auf die „Gebühren“ für Frequenzzuteilungen schlagen wir ein gestaffeltes System vor, um das Interesse an einer frequenzökonomischen Nutzung zu erhöhen. Diese sollte sich an folgenden Leit-linien orientieren:

1. Vorrecht hat der Besitzer des katastermäßig erfassten Grundstücks.

2. Exklusivität in Ressourcen (Spektrum und Netzwerkinfrastruktur) resultiert in höheren Entgel-ten.

3. Kooperation in Ressourcen (Spektrum und Netzwerkinfrastruktur) resultiert in reduzierten Entgelten für die Kooperierenden.

4. Das Entgelt sollte sich an örtlicher Abdeckung und Spektrumsverbrauch ausrichten.

3. Frequenzkoordination

Voraussetzung für eine effiziente Frequenznutzung ist die genaue Kenntnis, welches Spektrum für wel-che Nutzung, an welchem Ort, unter welchen Bedingungen und an wen vergeben wurde. Insbesondere im Hinblick auf lokale Netze ist dazu eine Datenbank notwendig, in der diese Informationen abrufbar sind.

Betreiber dieser Datenbank kann nur die Bundesnetzagentur sein, weil diese über die notwendigen Informationen verfügt. Bei einer entsprechenden Ausgestaltung könnte sie sogar in einem zweiten Schritt für eine automatisierte Frequenzzuteilung (nebst Frequenzmanagement) eingesetzt werden. Im Rahmen von TC-RRS verfügt die Bundesnetzagentur bereits über die notwendigen Voraussetzun-gen.

Bisher war die Bundesnetzagentur der Auffassung, dass der Betrieb solcher öffentlichen Datenbanken nicht von ihrem Auftrag nach dem TKG umfasst sei. Da eine solche Datenbank aber im Zusammenhang mit 5G unverzichtbar ist und von einem privaten Unternehmen vermutlich nicht wirtschaftlich betrie-ben werden kann, wäre im Zweifel im Rahmen der nächsten Novellierung des TKG eine entsprechende Aufgabenerweiterung vorzunehmen.

Köln, den 25.07.2018

Weiterführende Informationen zur Initiative SOS – Save Our Spectrum finden sie hier

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